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Im britischen Jaguar Entwicklungszentrum Gaydon arbeiten Hunderte von technischen Genies unaufhörlich daran, die Zukunft des Jaguars zu entwerfen. Stellvertretend für diesen buntgemischten Haufen stellen wir Ihnen hier sieben brillante Experten vor. Von Virtual Reality über selbstlernende Fahrzeuge bis hin zur Akustik konzentrieren sich diese Spezialisten auf sehr unterschiedliche Bereiche.
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Orla Murphy, 25
Hauptberuf: Audiokalibrierungsingenieurin
Ausbildung: Diplom in Elektrotechnik
Freizeitbeschäftigungen: Bratschistin für das Birmingham Philharmonic Orchestra und „15-a-side- Camogie“ (vergleichbar mit dem Irischen Hurling-Spiel)Orla Murphy ist eine Musikerin mit einem Abschluss in Elektrotechnik. Sie setzt ihre umfangreichen Talente dazu ein, die Soundwahrnehmung innerhalb eines Fahrzeugs zu optimieren.
In meinem Job beschäftige ich mich hauptsächlich mit der Wahrnehmung von Sound innerhalb eines Fahrzeugs. Als Teil eines Orchesters muss ich alle möglichen Arten von Klängen hören können – von der sehr niedrigen Frequenz einer Tuba bis hin zur sehr hohen Frequenz einer Piccoloflöte. Daher habe ich ein ziemlich gutes Gehör entwickelt und weiss genau, worauf ich achten muss. Ich habe vor Kurzem eine Forschungsarbeit über 3D-Surround-Sound geschrieben und arbeite an einer neuen Studie, die wirklich spannend ist. Aber das interessanteste Thema momentan ist zonenorientiertes Audio, wobei man anhand spezifischer Geräuschunterdrückung unterschiedliche Hörzonen schaffen kann. Wir sind bereits dazu in der Lage, Sound in bestimmten Bereichen des Fahrzeugs auszubalancieren und abzuschwächen. Für die Zukunft stellen wir uns jedoch eher eine Situation vor, in der jemand, der am Telefonieren ist, sich nicht von der Musik im Auto gestört fühlen muss. Oder dass der Beifahrer Rock hören kann, während der Passagier auf dem Rücksitz klassischer Musik zuhört – ohne dass der eine die Musik des anderen wahrnimmt. Dabei geht es nicht nur um Musik. Wir beschäftigen uns mit Stimmintegration, Parksensoren und jedem anderen Geräusch, das man im Inneren des Fahrzeugs hört.
Brian Waterfield, 49
Hauptberuf: Technischer Leiter für Virtual Reality
Ausbildung: Master-Abschluss in Virtual Reality und Gaming
Freizeitbeschäftigungen: „Ich musste leider aufhören, Rugby zu spielen, da ich nicht ständig mit einem blauen Auge zur Arbeit kommen kann. Jetzt gehe ich viel ins Fitnessstudio und sehe mir TED-Talks an.“Brian Waterfield leitet das Virtual-Reality-Team in der sogenannten „Cave“ (Cave Automatic Virtual Environment) des Zentrums. Seine Aufgabe besteht darin, die Fahrzeugmodelle in 2D und 3D zu visualisieren und – wie er hinzufügt – Zeit und Raum zu überwinden.
Als wir unser Virtual-Reality-Cave eingerichtet haben, stellte es weltweit die grösste Einrichtung seiner Art dar. Es verfügt über drei Wände und eine Decke, und wird von Projektoren bestrahlt, die eine bis zu vierfache HD-Auflösung bieten. In der Regel projizieren wir das Interieur dort hinein und visualisieren den Rest des Fahrzeugs um den Innenraum herum. Wenn man die Spezialbrille trägt, arbeitet man so in einem Massstab von eins zu eins. Das Labor wurde ursprünglich für das Verpackungsteam und das Raummanagement konzipiert. Mit der Zeit wurde es aber von weiteren Abteilungen innerhalb von Jaguar Land Rover benötigt, also konstruierten wir eine 2D- und 3D-fähige Powerwall, die mit dem „Cave“ interagiert. Da im eigentlichen „Cave“ nur wenig Leute Platz finden, ist die Powerwall mit einem Vorführraum verbunden, der bis zu 52 Personen aufnehmen kann. Dort können die Mitarbeiter dann genau das miterleben, was im Inneren des „Cave“ vor sich geht. Der physische Test eines Fahrzeugs hängt von vielerlei Faktoren ab – so sind Tests auf unebenem Gelände oder Schnee und Eis zum Beispiel sehr vom Wetter abhängig. In der virtuellen Umgebung brauchen Sie auf diese Faktoren keine Rücksicht zu nehmen. Mit der Zeit werden wir weitere Simulationsmöglichkeiten entwickeln, so dass wir quasi Zeit und Raum überwinden und jede Wetterlage simulieren können.
Lee Skrypchuk, 35
Hauptberuf: Spezialist für Mensch-Maschinen-Interfaces (HMI)
Ausbildung: Abschlüsse in Elektronik und Computertechnik sowie Displaytechnologie. Arbeitet in seiner Freizeit an einem PhD-Abschluss in Automotive Interface Systems. Ausserdem ist er Vater von zwei Kindern und Fan des FC Nottingham Forest.
Bonusfakt: Lees Nachname hat nur einen Vokal, der von seinem ukrainischen Grossvater hinzugeführt wurde – damit es anderen Europäern nicht so schwerfällt, ihn auszusprechen.Die Einführung des iPhone im Jahr 2007 hat die Art und Weise verändert, wie wir mit Bildschirmen interagieren. Wir wollen also etwas entwickeln, das genauso intuitiv und attraktiv ist, es muss jedoch besser an die Umgebung innerhalb eines Fahrzeugs angepasst werden, wo man gleichzeitig auf den Verkehr achten muss. Mein Forschungsteam befasst sich mit allerlei spekulativen Funktionen, von denen wir noch nicht wissen, ob sie realisiert werden können. 2007 waren wir nur zu viert, mittlerweile haben wir 25 Mitarbeiter. Wir arbeiten an etwas, das wir „off-surface-touch“ (in etwa „Berührung einer nicht vorhandenen Oberfläche“) nennen. Dabei handelt es sich um ein kapazitives System, das Ihre Finger aus einer Entfernung von 15-20 cm wahrnehmen kann. So könnten Sie zum Beispiel mit der Hand winken, um das Schiebedach zu öffnen – mit Hilfe dieses Sensors, den ich hier gerade in der Hand halte. Es könnte in etwa drei Jahren in Produktion gehen. Wir versuchen, mit unseren Systemen mehr auf den Fahrer einzugehen, so dass er blitzschnell von einer Aufgabe zur anderen übergehen kann. Wenn Sie Ihren Führerschein machen, bringt man Ihnen zwar das Fahren bei, aber nicht, wie Sie gleichzeitig alles andere bewerkstelligen können. Für Flugzeugpiloten ist dieser Aspekt fester Teil des Berufs, für Autofahrer ist das jedoch eher selten.
Kris Kobylinski, 30
Hauptberuf: Delivery Manager für Forschungstechnologien, Projekt selbstlernende Fahrzeuge
Ausbildung: Master-Abschluss in Informatik
Freizeitbeschäftigungen: Zeit mit meiner Frau und Tochter verbringen, Fussball spielen, Snowboarden, Surfen und Elektrogitarrenunterricht
Inspiration: Nikola Tesla und Albert Einstein „wegen ihrer unglaublichen Intelligenz und grandiosen Erfindungen“Ich leite die Entwicklung von Technologien, die derzeit noch nicht existieren. Mein Team besteht aus Ingenieuren aus dem Bereich maschinelles Lernen, aus Big-Data-Forschern und Human-Factors-Spezialisten. Unser Ziel besteht darin, das erste wirklich intelligente Fahrzeug zu entwickeln, das jeden Fahrer erkennt, seine Vorlieben erlernt und ihm die entsprechenden Optionen anbietet. Für angehende Ingenieure, die sich für dieses Spezialfeld interessieren, habe ich folgende Tipps: Entwickeln Sie eine Leidenschaft für Autos und – falls Sie das noch nicht getan haben – versuchen Sie so viel praktische Erfahrung wie möglich zu sammeln. Ausserdem sollten Sie sich unbedingt dem intensiven Studium von Mathematik, Physik und Informatik widmen.
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Dr Thomas Popham, 33
Hauptberuf: Fachspezialist, Projekt selbstlernende Fahrzeuge
Ausbildung: Abschluss in Maschinenbau, PhD in Informatik
Freizeitbeschäftigungen: Skilaufen und andere Outdoor-Aktivitäten"Fahrzeugintelligenz wird das Autofahren in den nächsten Jahren um ein Vielfaches verbessern – insbesondere wenn Fahrzeuge in der Lage sein werden, miteinander sowie mit „der Cloud“ zu kommunizieren."
Unsere Forschung befasst sich mit Techniken im Bereich maschinelles Lernen – mit dem Ziel, Fahrervorlieben zu erlernen. Dieser Bereich ist ziemlich interessant, weil er so vielfältig ist – wir beschäftigen Elektro- und Maschinenbauingenieure, Projektmanager, Psychologen und viele andere. Sehr wichtig ist in erster Linie natürlich eine solide Ausbildung, aber ebenso entscheidend sind Kommunikationsfähigkeit, Teamarbeit und Ausdauer. Fahrzeugintelligenz wird das Autofahren in den nächsten Jahren um ein Vielfaches verbessern – insbesondere wenn Fahrzeuge in der Lage sein werden, miteinander sowie mit „der Cloud“ zu kommunizieren. Hinsichtlich der CO2-Emissionen macht die Automobilindustrie derzeit grosse Fortschritte – ich kann es jedenfalls kaum erwarten, dass dieses Problem endlich gelöst wird.
Linh Nguyen Slater, 29
Hauptberuf: Interface-Spezialist für künstliche Intelligenz, Projekt selbstlernende Fahrzeuge
Ausbildung: Bachelor und Master of Science-Abschlüsse
Freizeitbeschäftigungen: Kochen und Essen. Meine Freunde nennen mich „Iron Chef“ oder „die vietnamesische Martha Stewart“Ich bin an der Entwicklung von Interfaces beteiligt, und zwar im Bereich künstliche Intelligenz im selbstlernenden Fahrzeug. Während das Back-End von Ingenieuren entwickelt wird, konzentriere ich mich auf das Front-End, also die Schnittstelle, über die der Fahrer mit dem Fahrzeug interagiert. Ich führe umfangreiche Nutzertests durch, um sicherzustellen, dass unsere Interfaces absolut sicher, leicht zu bedienen und attraktiv gestaltet sind. Auf das Human-Faktors-Design – auch Ergonomie, HMI oder User Experience genannt – bin ich eher zufällig gestossen, und zwar während meines Medizinstudiums. In diesem Bereich geht es darum, Menschen, Entwicklung und Design miteinander zu verbinden – also genau der richtige Job für einen künstlerisch veranlagten Wissenschaftler, der gerne mit Menschen zu tun hat. Ich kann es kaum erwarten, bis das selbstlernende Fahrzeug auf dem Markt erscheinen wird – voraussichtlich in den nächsten sechs Jahren. Damit wird die Technologie des maschinellen Lernens erstmals für Autofahrer zugänglich. Dies kann als natürlicher Übergang zum selbstfahrenden Fahrzeug betrachtet werden.
John Pepperell, 49
Hauptberuf: Leiter des Bereichs Geschäfts- und Produktplanung
Ausbildung: Abschluss in Maschinenbau
Freizeitbeschäftigungen: Halbmarathon laufen, Motorradfahren und vier Kinder aufziehenWährend alle anderen Fussball spielten, verbrachte ich meine Schulzeit mit Leuten, die an alten Autos herumbastelten – zum Beispiel Humber Sceptres, Vauxhall Vivas und Hillman Avengers. Die grundlegenden Bestandteile eines Motors sind schon seit 100 Jahren dieselben, was sich jedoch verändert hat, ist ein Teil der peripheren Technik. Ich befasse mich grösstenteils mit der elektronischen Anpassung des Motors. Ein Motor muss in jeder Situation hervorragende Leistung bringen. Es geht also darum, das Timing und die Kraftstoffzufuhr anzupassen, und dazu werden eine Menge Sensoren und Aktoren benötigt. Ich glaube, dass es in 15 Jahren immer noch herkömmliche Motoren geben wird, aber bis dahin werden Hybridmotoren die „konventionellere“ Technik darstellen. Ich kann mir gut vorstellen, dass wir dann an der Front der Brennstoffzellentechnologie arbeiten.
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